Irina Goleva zaubert aus alltäglichen Zutaten wie flüssiger Schokolade, fluffigem Hefeteig und einer Extraportion Charme visuelle Meisterwerke, die wir dann zumindest optisch bei StockFood genießen dürfen. Die Wahlzürcherin hat ihren Weg in die Welt der Food-Fotografie über Umwege gefunden: Vom internationalen IT-Consulting zur Instagram-Foodbloggerin – mit Kamera, Kreativität und kulinarischer Neugier. Was als Hobby begann, wurde zu einer erfolgreichen internationalen Karriere. Irina liebt es, Geschichten durch Essen zu erzählen. Dabei setzt sie auf Natürlichkeit statt übertriebener Perfektion und zeigt die Schönheit im Einfachen. Ihre Bilder wecken Emotionen – und machen großen Appetit.
Wie bist du Fotografin – insbesondere Food-Fotografin – geworden?
Meine Karriere in der Food-Fotografie begann ziemlich unerwartet mit meinem Instagram-Foodblog @ira_zlatev, den ich gestartet habe, als ich Mutter wurde und mich beruflich neu orientieren wollte.
Kochen konnte ich vorher ehrlich gesagt gar nicht – durch meine vielen Dienstreisen fehlte mir einfach die Zeit, mich wirklich damit zu beschäftigen. Ich hatte so ein leises Gefühl, dass mein Mann unter meinen „Kochkünsten“ ein wenig gelitten hat. Also habe ich beschlossen, während der Elternzeit daran zu arbeiten. So entdeckte ich Instagram und insbesondere die Foodblogs. Von da an war nichts mehr wie vorher:
Ich schaute Kochsendungen im Fernsehen, probierte die Rezepte aus und teilte die Ergebnisse auf meinem Instagram-Profil. Mit der Zeit verliebte ich mich in den gesamten Prozess: kochen, stylen, fotografieren. Schließlich wagte ich den mutigen Schritt, meinen Bürojob zu kündigen und mich ganz der Food-Branche zu widmen. Es dauerte zwei Jahre, bis ich als Foodbloggerin meine ersten Kund:innen hatte – aber es hat sich definitiv gelohnt. Die Food-Fotografie wurde zu meinem geliebten Vollzeitjob und ich habe mir mein altes Berufsleben nie zurückgewünscht.
Seit 2019 habe ich mein Portfolio um Videografie erweitert und arbeite an verschiedensten Food-, Lifestyle- und Personal-Branding-Projekten mit Unternehmen und Influencer:innen.
Wie würdest du deinen Stil beschreiben? Wie arbeitest du?
Ich liebe es, beim Publikum dieses „Ich-will-das-jetzt-essen“-Gefühl zu erzeugen. Wenn also irgendwo langsam fließende Schokolade oder Puderzucker in Zeitlupe zu sehen sind, dann sind das sehr wahrscheinlich Videos von mir.
Ich arbeite gerne mit einem Mix aus schnellen Schnitten und Slow Motion, um die Videos dynamisch und ansprechend für die Zuschauer:innen zu machen. Gleichzeitig lege ich Wert darauf, dass das Essen natürlich aussieht – also keine übertriebenen Filter oder Farbkorrekturen.
Ich arbeite meist allein in meinem voll ausgestatteten Home-Studio in Zürich. Besonders gerne nutze ich künstliches Licht, da es mir zeitlich mehr Flexibilität bietet und ich immer gleichbleibende Ergebnisse bekomme.
Welches Food-Thema lässt dein Herz höherschlagen?
Ich liebe alles rund um Teig – vor allem Hefeteig. Fluffiges Brot und Brötchen aller Art sind definitiv das, was ich am liebsten filme – und danach esse😊.
Der Prozess des Knetens und Gehenlassens von Teig hat für mich etwas Meditatives. Für andere mag das langatmig wirken – für mich heißt es entspannen und ungestört meinen Gedanken nachhängen.
Gibt es ein Markenzeichen deiner Arbeit?
Ich denke, mein Markenzeichen ist es, Lebensmittel auf lebendige, visuell ansprechende Weise zu präsentieren, oft mit einem Schwerpunkt auf Textur und liebevollen Details. Und wenn ein Rezeptvideo damit beginnt, dass eine Hand auf einen fluffigen Hefeteig drückt, dann ist das sehr wahrscheinlich meins 😊.
Was inspiriert dich?
Mich inspiriert die Schönheit alltäglicher Momente und Geschichten. Manchmal erzählt mir mein Sohn, welches Schweizer Gericht es in der Schule zu Mittag gab – und ich google sofort das Rezept, probiere es aus und kreiere eine eigene Version davon.
Mich reizen die unendlichen Texturen und Farben von Lebensmitteln und die Art und Weise, wie sie durch verschiedenes Licht und unterschiedliche Stimmungen hervorgehoben werden können. Ganz egal, ob es darum geht, die Wärme einer hausgemachten Mahlzeit oder die Eleganz eines feinen Menüs einzufangen. Für mich geht es darum, Bilder zu schaffen, die beim Publikum Emotionen wecken und eine besondere Geschichte erzählen.
Deine lustigste oder außergewöhnlichste Erfahrung beim Dreh?
Pannen gibt es ständig – Requisiten fallen runter, Kulissen krachen auf Desserts und unzählige Kuchenstücke sehen einfach nicht gut aus, wenn ich sie filme. Im Moment selbst ist es nicht so witzig, aber beim Anschauen der Outtakes muss ich jedes Mal lachen.
Die lustigste Szene ereignete sich vor Jahren bei einem Instagram-Backwettbewerb. Ich sollte gesalzenes Karamell zubereiten. Nachdem ich viele Male geübt hatte, dachte ich, ich könne es nun aus dem Effeff. Als ich dann die finale Vision zubereitete, drehte ich mich zu meinem Mann und sagte, dass ich dieses Karamell auch mit geschlossenen Augen machen könnte. Sekunden später war die ganze Küche voller Rauch und der Feueralarm ging los – das Karamell war in Rekordzeit verbrannt. Seitdem ist das zu einer Familienanekdote geworden und ich lasse das Karamell nie wieder aus den Augen 😊.
Was sollte in einem Porträt über dich auf keinen Fall fehlen?
Ich würde mich als offene und unkomplizierte Person beschreiben, die gerne mit Menschen kommuniziert. Ich bin definitiv ein Teamplayer, und es hat eine Weile gedauert, bis ich mich daran gewöhnt habe, in meinem Studio hauptsächlich allein zu arbeiten. Umso mehr freue ich mich über jedes Projekt, bei dem ich persönlich am Set anwesend sein muss, neue Leute kennenlerne und Teil eines großen Teams sein darf.
Erzähl doch mal ein bisschen über dich – woher kommst du, was machst du gern in deiner Freizeit?
Ich bin in Moskau, Russland, geboren und aufgewachsen, habe an der Staatlichen Moskauer Linguistischen Universität studiert und wollte eigentlich Lehrerin für Englisch und Französisch werden. Dazu kam es jedoch nicht, denn im letzten Jahr meines Studiums bekam ich die Chance, bei einer der weltweit führenden Unternehmensberatungen zu arbeiten, und ich bin dann noch weitere 10 Jahre in diesem Berufsfeld geblieben. Ich habe eine recht erfolgreiche Karriere in der internationalen IT-Beratung aufgebaut, spezialisiert auf die Integration von Bankensystemen. Aber man weiß ja nie, was das Leben für einen bereithält 😊.
Ende der 2000er lernte ich meinen Mann kennen – damals arbeitete er im selben Unternehmen, allerdings in der Niederlassung in Amsterdam. Nach unserer Hochzeit zog ich in die Niederlande, wo ein paar Jahre später unser Sohn geboren wurde. Mir wurde klar, dass ich nicht wieder auf Geschäftsreisen fernab von meiner Familie gehen und unzählige Überstunden machen wollte. 2014 entstand mein Instagram-Foodblog und das war der Startpunkt meiner Karriere in der Food-Fotografie, Videografie und Rezeptentwicklung
2016 zogen wir nach Zürich und es wurde unser geliebtes Zuhause. Unsere Tochter kam zwei Jahre später zur Welt und wir sind nun eine vierköpfige, mehrsprachige Familie. 😊 Unsere Kinder sprechen vier Sprachen fließend: Russisch (meine Muttersprache), Bulgarisch (die Sprache meines Mannes), Deutsch (inkl. Schweizer Dialekt) und Englisch. Bei uns herrscht ein ziemliches sprachliches und kulturelles Durcheinander, aber es ist definitiv nie langweilig.😊.
Für welche Kund:innen arbeitest du? Gibt es besondere Projekte?
Ich hatte das Glück, mit namhaften Schweizer und internationalen Marken zu arbeiten – darunter Betty Bossi, Migros, Miele, Lidl, Dr. Oetker und viele mehr. Jedes Projekt ist eine Gelegenheit, mich selbst herauszufordern, etwas Neues zu lernen und schöne, wirkungsvolle Bilder zu schaffen.
Mir ist es wichtig, loyale Beziehungen zu meinen Kunden zu pflegen und ich bin sehr stolz darauf, an wiederkehrenden Projekten zu arbeiten. Es ist wunderbar, langfristige Partnerschaften aufzubauen und regelmäßig zu ihren Visionen beizutragen.
Ein Projekt, das mir besonders am Herzen liegt, ist die Zusammenarbeit mit der Organisation Fairtrade Switzerland. Seit 2022 produziere ich jährlich Rezeptserien für ihre Fairbruary-Kampagne.